Im Osten Brandenburgs wartet die perfekte Sommertour auf uns — ganze fünf Badeseen umwandern wir auf der zweitägigen Tour rund um Wendisch Rietz. Dazwischen liegen viel schattiger Misch- und Kiefernwald, weite Felder und eine erstaunlich große Sanddüne. Proviant fürs Picknick besorgen wir uns im Laden der Hofgemeinschaft Marienhöhe, Deutschlands ältestem Demeter-Betrieb.
SAAROW THERME
Am Kurpark 1
15526 Bad Saarow
www.therme.bad-saarow.de
Bad Saarow ist unser Ausgangspunkt an diesem warmen Juliwochenende. Den Kurort am Scharmützelsee umweht ein mondänes Flair, im Zentrum reihen sich schmucke Villen aneinander. In den 1920er Jahren kamen illustre Persönlichkeit wie Ernst Lubitsch, Max Schmeling oder Maxim Gorki zur Sommerfrische, oder besaßen Häuser hier. Mit seiner Lage am »Märkischen Meer«, Brandenburgs größtem See, wirkt der Ort im Sommer mediterran, und beim Flanieren am Hafen lässt sich sogar die eine oder andere Jacht bestaunen. Im Winter ist es die moderne und sehr einladende Therme mit großem Saunabereich, die die Gäste anlockt.
Als wir unseren Treffpunkt, die große Linde vor dem Hofladen, erreichen, wartet Helmut Kolzer bereits auf uns. Auf dem Weg von Bad Saarow zur Marienhöhe hatten wir uns ein wenig vertrödelt. Seit zwei Jahren ist Kolzer mit seiner Frau und einem Sohn Mitglied der Hofgemeinschaft Marienhöhe. Während wir zu einer Führung über das Gelände aufbrechen erklärt der 52-Jährige die Prinzipien: »Hier leben ungefähr 30 Seelen. Der ganze Hof ist ein Verein, alles ist also Gemeineigentum. Das ist auch eine Idee von Rudolf Steiner, solche Dinge wie Grund und Boden, Wasser, Nahrung — das darf nicht Vermögen sein, sondern es muss allen zur Verfügung stehen.«
HOFGEMEINSCHAFT MARIENHÖHE
Marienhöhe 3
15526 Bad Saarow
www.hofmarienhoehe.de
»
Viehzucht, Ackerbau und Garten greifen hier ineinander.
«
Im Kuhstall ziehen uns sofort die Kälbchen magisch an. Mit großen Augen kommen sie neugierig heran und schlecken mit ihren rauen Zungen an unseren Händen. »Hier drüben, das ist unser Jüngstes, das ist erst vier Tage alt«, hallt es aus einem gekachelten Raum, in dem die frische Milch gesammelt wird. Dort schaut Sigmar Goldammer hinter dem Türrahmen hervor. Er gehört zur Kerntruppe derer, die Marienhöhe in der Wendezeit übernommen haben und seitdem weiterführen. Jeder hat seinen eigenen Verantwortungsbereich, Sigmar kümmert sich um die Kühe. Die Hofgemeinschaft ist breit aufgestellt, »Viehzucht, Ackerbau und Garten greifen hier ineinander,« erklärt Kolzer die Verzahnung der Bereiche. »Wir brauchen die Kühe für den Mist. Und der Mist kommt dann als Dünger auf die Felder. Die Idee der biologisch-dynamischen Landwirtschaft ist, dass es ein geschlossener Betriebskreislauf ist. Dass man also das, was man selber benötigt, nicht zukauft, sondern selbst herstellt.«
Käse, Milch und andere Produkte der Milchwirtschaft ziehen Abnehmer von weiter her an — teilweise kommen Leute aus Berlin hierher, um Rohmilch zu kaufen. Denn die darf von Gesetzes wegen nur direkt ab Hof verkauft werden. Wir kosten ein kaltes Glas frische Milch. Aromatisch und reichhaltig schmeckt sie, irgendwie positiv nach Kuh. Ungefähr 35 Milchkühe werden hier auf den Weiden gehalten, Mitteldeutsches Rotvieh. Sie fressen ausschließlich Gras und Heu, keine Silage oder sonst etwas. Und alle Tiere dürfen ihre großen, geschwungenen Hörner behalten. Morgens und abends wird gemolken, den Tag über grasen die Kühe auf den umliegenden Weiden. Das ist möglich, weil die Wege nicht zu lang sind. »Marienhöhe ist ein arrondierter Hof. Das heißt in der Mitte ist die Hofstelle. Rundherum sind Garten, Wiesen und Felder. Und da drumherum sind die meisten Waldstücke, die wir haben. Das ist auch selten heute. Die meisten Höfe sind zergliedert,« berichtet Helmut Kolzer und weist in die verschiedenen Himmelsrichtungen während er spricht.
Weiter geht es zum Gemüsegarten. Vorbei am Bienenhaus und an Blumenbeeten, auf denen Schnittblumen wachsen. Wir erfahren, dass der Verkauf von Schnittblumen den Hof durch die DDR-Zeit gebracht hat. Weil der Betrieb damals einer Österreicherin gehörte blieb Marienhöhe auch zu dieser Zeit in Privatbesitz und wurde nicht, wie andere Landwirtschaftsbetriebe, verstaatlicht. Hinter den Obstbäumen bleibt Kolzer stehen: »Vielleicht wird das hier auch mal ein Stück Garten. Hier hat der Kollege gerade Kleegras angebaut. Das wäre vor 10 Jahren noch nicht möglich gewesen, weil der Boden einfach noch nicht gut genug war. Das ist ja gerade die Idee, die wir von Landwirtschaft haben. Dass man auf der einen Seite etwas nimmt zur Ernährung des Menschen. Auf der anderen Seite aber Kulturarbeit betreibt und Boden aufbaut. Dass der Boden sich verbessert, dass er in der Lage ist, den Menschen zu ernähren. Ohne Chemie natürlich.«
»Das ist eines unserer Präparate-Löcher. Die biologisch-dynamische Landwirtschaft arbeitet ja mit sogenannten Präparaten. Zum Beispiel Hornmist. Da werden bestimmte Stoffe in Kuhhörner gefüllt und in die Erde gelegt für ein Jahr. Im nächsten Jahr in homöopathischen Dosen dem Mist beigegeben, der auf die Felder aufgebracht wird. Das kann man am ehesten beschreiben wie eine Impfung. Hier sollen die Selbstheilungskräfte des Bodens angeregt, das Bodenleben verbessert werden.«
Während wir über den Holzplatz laufen, erfahren wir, dass alle Wärme, die auf dem Hof benötigt wird, auch hier erzeugt wird. Und zwar mit Holz aus der eigenen Waldwirtschaft. Zurück auf dem Hof freuen wir uns über grunzende schwarz-weiß gefleckte Schweine, die munter in ihrem Auslauf wühlen. Deutsche Sattelschweine sind das, die hier wesensgerecht aufwachsen und in der nahegelegenen Demeter-zertifizierten Landschlachterei geschlachtet werden.
TIPP
Marienhöhe bietet mehrmals im Jahr öffentliche Hofführungen an. Auch Mitmachen ist möglich, z.B. beim Möhrenwochenende im Juni.
HOFLADEN
Rohmilch und -Butter werden ab Hof verkauft. Auch auf dem Wochenmarkt auf dem Chamissoplatz in Berlin-Kreuzberg gibt es Produkte der Hofgemeinschaft zu kaufen.
Zu guter Letzt werfen wir einen Blick in die Backstube, den Lieblingsort von Helmut Kolzer. Der ehemalige Geschäftsführer der Musikschulen Schleswig-Holstein hat nun hier seinen Platz gefunden und backt an den zwei Backtagen der Woche aus hofeigenem Roggen und Weizen duftende Sauerteigbrote. Seine Frau Cosima hatte ihn auf den Hof gebracht, sie hatte Marienhöhe bereits während ihrer Gärtnerausbildung kennengelernt. »So, nun muss ich los. Heute bin ich dran mit Mittagessenkochen«, verabschiedet sich unser Gastgeber schließlich und zieht sich gemeinsam mit einer kleinen Horde Kinder in das Wohnhaus zurück. Wir nutzen die Gelegenheit und decken uns im Hofladen mit den hofeigenen Spezialitäten für unser Picknick ein. Unser absolutes Highlight sind der Findling-Käse und die die deftigen Rindsknacker.
Von Marienhöhe aus laufen wir zunächst westlich nach Kolpin, von wo aus wir nun hauptsächlich Etappe 11 des 66-Seen-Wanderwegs folgen. Über Feldwege und vorbei an reifen Getreidefeldern führt uns der Weg danach in südlicher Richtung weiter bis wir nach Reichenwalde gelangen. Von dort aus orientieren wir uns auf moosig-grasigem Kiefernwaldboden gen Westen Richtung Storkow, wo uns noch vor dem Ortsrand eine ganz besondere Landschaftsform erwartet: Es geht bergauf und wird merklich sandiger bis wir schließlich inmitten einer fast wüstenartigen Umgebung stehen. Die Binnendüne Waltersberge ist mit 36 Metern Höhe die höchste Deutschlands und mit 16 Hektar Fläche auch ziemlich weitläufig. Auf der Nordseite merkt man kaum etwas von dem vielen Sand, denn hier bilden Traubenkirschen und Robinien ein grünes Dach. Am Südhang aber ziehen wir uns die Schuhe aus und sinken barfuß in den heißen Sand ein. An diesem warmen Sommertag mit nichts als Sand um uns herum kommt direkt Urlaubsfeeling auf und Brandenburg scheint weit weg zu sein.
Nach Storkow laufen wir gar nicht hinein, sondern biegen am Ortseingang auf einen Bohlenweg ein. Bald erreichen wir zum ersten Mal das Ostufer des Großen Storkower Sees, folgen diesem aber nur kurz und schlagen und uns in einen Kiefernwald Richtung Dahmsdorf. Der Weg führt weg vom See durch Wald und über Wiesen. Dieser Abschnitt wird etwas abenteuerlich, denn dort, wo auf der Karte eine Brücke eingezeichnet ist, führt nur eine dicker Ast über das Wasser eines Grabens hinweg. Weiter geht es durch ein Moor, hinter dem wir auf eine offene Wiese hinaustreten, auf der allerdings so viel Wasser steht, dass wir den Rest des Tages mit durchweichten Schuhen bestreiten müssen. Als wir endlich auf den offiziellen Weg zurückfinden, sind wir froh über die geteerte Gerade, die uns vergleichsweise bequem bis zum Campingplatz Dahmsdorf führt. Hinter dem Campingplatz entdecken wir eine wunderschöne — und vor allem die einzige — Badestelle auf dieser Seite des Großen Storkower Sees. Ein herrlich sandig-flacher Einstieg und die Abendsonne auf der Liegewiese lassen uns hier eine Weile entspannen. Die letzten Kilometer des Tages führen uns weiter am See entlang nach Wendisch Rietz, von wo aus wir in den Bus nach Bad Saarow steigen, zu unserem Nachtquartier.
Die Strecke, die wir uns heute vorgenommen haben, ist eine perfekte Tour für den Hochsommer. In immerhin vier der Seen, an denen wir vorbeikommen, lässt es sich herrlich baden. Wir orientieren uns grob an Etappe 12 des 66-Seen-Wanderweges, weichen von dieser Route jedoch ab um einen Rundweg daraus zu machen. Als Start- und Endpunkt wählen wir Wendisch Rietz, das ist gut mit dem Bus zu erreichen.
Der erste Abschnitt führt uns Richtung Südwesten, zum Glubigsee. Die breiten Wege durch den Kiefernwald verwandeln sich am Westufer des Sees in schmale Trampelpfade. Den kleinen Kanal, der am Südende des Gewässers zum sich anschließenden Springsee führt, überqueren wir auf einer Brücke. Das Nordufer des Springsees streifen wir nur kurz, bevor wir an der östlichen Seite des Sees den offiziellen 66-Seen-Wanderweg verlassen und Richtung Möllendorf weiterlaufen. Auf federndem Waldboden bewegen wir uns eine Weile lang durch Kiefernmonotonie und schlagen einen Bogen über die Dörfer Möllendorf und Limsdorf. Bevor wir hinter Limsdorf einen lichten Wald erreichen, säumen Pflaumen- und andere Obstbäume den Feldweg. Hier lässt es sich im Herbst zur Erntezeit sicher gut naschen.
Eine tolle sandige Badestelle entdecken wir am Südzipfel des Goldnasees. Über uns schaukeln die Wipfel sanft im Wind, Kiefernzapfen drücken sich von unten durch das Badehandtuch. Nach einer ausgiebigen Schwimm- und Liegepause brechen wir schließlich auf, um am Westufer entlang wieder Richtung Norden auf den markierten Weg zurück zu gelangen. Der Grubensee oder auch Tiefer See ist unser nächstes Badeziel. Am Westufer finden wir versteckt im Schilf einen etwas maroden Steg, auf dem wir uns nach dem Baden in der Sonne wärmen. Doch nicht nur uns gefällt dieses Plätzchen. Vorbei ist es mit der Ruhe als eine ziemlich freche Ringelnatter sich aus dem Wasser hoch zu uns auf den Steg schlängelt.
Wir brechen wieder auf. Ein Stück weiter nördlich liegt der Naturcampingplatz Grubensee mitten im Wald. Hier überqueren wir die Straße und gelangen über einen Pfad durch den Kiefernwald an das Ostufer des Melangsees. Das waldige Hochufer ist zum Baden nicht besonders geeignet, deshalb freuen wir uns als wir etwas später in der Abendstimmung den Springsee erreichen und an einer sehr einladenden Stelle noch einmal ins Wasser springen können. Am Glubigsee entlang führt uns ein schmaler Pfad schließlich unterhalb des Feriendorfes zurück nach Wendisch Rietz.
»Es gibt keine richtige Art Natur zu sehen. Es gibt hundert.«
— Kurt Tucholsky
Im Osten Brandenburgs wartet die perfekte Sommertour auf uns — ganze fünf Badeseen umwandern wir auf der zweitägigen Tour rund um Wendisch Rietz. Dazwischen liegen viel schattiger Misch- und Kiefernwald, weite Felder und eine erstaunlich große Sanddüne. Proviant fürs Picknick besorgen wir uns im Laden der Hofgemeinschaft Marienhöhe, Deutschlands ältestem Demeter-Betrieb.
Bad Saarow ist unser Ausgangspunkt an diesem warmen Juliwochenende. Den Kurort am Scharmützelsee umweht ein mondänes Flair, im Zentrum reihen sich schmucke Villen aneinander. In den 1920er Jahren kamen illustre Persönlichkeit wie Ernst Lubitsch, Max Schmeling oder Maxim Gorki zur Sommerfrische, oder besaßen Häuser hier. Mit seiner Lage am »Märkischen Meer«, Brandenburgs größtem See, wirkt der Ort im Sommer mediterran, und beim Flanieren am Hafen lässt sich sogar die eine oder andere Jacht bestaunen. Im Winter ist es die moderne und sehr einladende Therme mit großem Saunabereich, die die Gäste anlockt.
SAAROW THERME
Am Kurpark 1
15526 Bad Saarow
www.therme.bad-saarow.de
Als wir unseren Treffpunkt, die große Linde vor dem Hofladen, erreichen, wartet Helmut Kolzer bereits auf uns. Auf dem Weg von Bad Saarow zur Marienhöhe hatten wir uns ein wenig vertrödelt. Seit zwei Jahren ist Kolzer mit seiner Frau und einem Sohn Mitglied der Hofgemeinschaft Marienhöhe. Während wir zu einer Führung über das Gelände aufbrechen erklärt der 52-Jährige die Prinzipien: »Hier leben ungefähr 30 Seelen. Der ganze Hof ist ein Verein, alles ist also Gemeineigentum. Das ist auch eine Idee von Rudolf Steiner, solche Dinge wie Grund und Boden, Wasser, Nahrung — das darf nicht Vermögen sein, sondern es muss allen zur Verfügung stehen.«
HOFGEMEINSCHAFT MARIENHÖHE
Marienhöhe 3
15526 Bad Saarow
www.hofmarienhoehe.de
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Viehzucht, Ackerbau und Garten greifen hier ineinander.
«
Im Kuhstall ziehen uns sofort die Kälbchen magisch an. Mit großen Augen kommen sie neugierig heran und schlecken mit ihren rauen Zungen an unseren Händen. »Hier drüben, das ist unser Jüngstes, das ist erst vier Tage alt«, hallt es aus einem gekachelten Raum, in dem die frische Milch gesammelt wird. Dort schaut Sigmar Goldammer hinter dem Türrahmen hervor. Er gehört zur Kerntruppe derer, die Marienhöhe in der Wendezeit übernommen haben und seitdem weiterführen. Jeder hat seinen eigenen Verantwortungsbereich, Sigmar kümmert sich um die Kühe. Die Hofgemeinschaft ist breit aufgestellt, »Viehzucht, Ackerbau und Garten greifen hier ineinander,« erklärt Kolzer die Verzahnung der Bereiche. »Wir brauchen die Kühe für den Mist. Und der Mist kommt dann als Dünger auf die Felder. Die Idee der biologisch-dynamischen Landwirtschaft ist, dass es ein geschlossener Betriebskreislauf ist. Dass man also das, was man selber benötigt, nicht zukauft, sondern selbst herstellt.«
Käse, Milch und andere Produkte der Milchwirtschaft ziehen Abnehmer von weiter her an — teilweise kommen Leute aus Berlin hierher, um Rohmilch zu kaufen. Denn die darf von Gesetzes wegen nur direkt ab Hof verkauft werden. Wir kosten ein kaltes Glas frische Milch. Aromatisch und reichhaltig schmeckt sie, irgendwie positiv nach Kuh. Ungefähr 35 Milchkühe werden hier auf den Weiden gehalten, Mitteldeutsches Rotvieh. Sie fressen ausschließlich Gras und Heu, keine Silage oder sonst etwas. Und alle Tiere dürfen ihre großen, geschwungenen Hörner behalten. Morgens und abends wird gemolken, den Tag über grasen die Kühe auf den umliegenden Weiden. Das ist möglich, weil die Wege nicht zu lang sind. »Marienhöhe ist ein arrondierter Hof. Das heißt in der Mitte ist die Hofstelle. Rundherum sind Garten, Wiesen und Felder. Und da drumherum sind die meisten Waldstücke, die wir haben. Das ist auch selten heute. Die meisten Höfe sind zergliedert,« berichtet Helmut Kolzer und weist in die verschiedenen Himmelsrichtungen während er spricht.
Weiter geht es zum Gemüsegarten. Vorbei am Bienenhaus und an Blumenbeeten, auf denen Schnittblumen wachsen. Wir erfahren, dass der Verkauf von Schnittblumen den Hof durch die DDR-Zeit gebracht hat. Weil der Betrieb damals einer Österreicherin gehörte blieb Marienhöhe auch zu dieser Zeit in Privatbesitz und wurde nicht, wie andere Landwirtschaftsbetriebe, verstaatlicht. Hinter den Obstbäumen bleibt Kolzer stehen: »Vielleicht wird das hier auch mal ein Stück Garten. Hier hat der Kollege gerade Kleegras angebaut. Das wäre vor 10 Jahren noch nicht möglich gewesen, weil der Boden einfach noch nicht gut genug war. Das ist ja gerade die Idee, die wir von Landwirtschaft haben. Dass man auf der einen Seite etwas nimmt zur Ernährung des Menschen. Auf der anderen Seite aber Kulturarbeit betreibt und Boden aufbaut. Dass der Boden sich verbessert, dass er in der Lage ist, den Menschen zu ernähren. Ohne Chemie natürlich.«
»Das ist eines unserer Präparate-Löcher. Die biologisch-dynamische Landwirtschaft arbeitet ja mit sogenannten Präparaten. Zum Beispiel Hornmist. Da werden bestimmte Stoffe in Kuhhörner gefüllt und in die Erde gelegt für ein Jahr. Im nächsten Jahr in homöopathischen Dosen dem Mist beigegeben, der auf die Felder aufgebracht wird. Das kann man am ehesten beschreiben wie eine Impfung. Hier sollen die Selbstheilungskräfte des Bodens angeregt, das Bodenleben verbessert werden.«
Während wir über den Holzplatz laufen, erfahren wir, dass alle Wärme, die auf dem Hof benötigt wird, auch hier erzeugt wird. Und zwar mit Holz aus der eigenen Waldwirtschaft. Zurück auf dem Hof freuen wir uns über grunzende schwarz-weiß gefleckte Schweine, die munter in ihrem Auslauf wühlen. Deutsche Sattelschweine sind das, die hier wesensgerecht aufwachsen und in der nahegelegenen Demeter-zertifizierten Landschlachterei geschlachtet werden.
TIPP
Marienhöhe bietet mehrmals im Jahr öffentliche Hofführungen an. Auch Mitmachen ist möglich, z.B. beim Möhrenwochenende im Juni.
Zu guter Letzt werfen wir einen Blick in die Backstube, den Lieblingsort von Helmut Kolzer. Der ehemalige Geschäftsführer der Musikschulen Schleswig-Holstein hat nun hier seinen Platz gefunden und backt an den zwei Backtagen der Woche aus hofeigenem Roggen und Weizen duftende Sauerteigbrote. Seine Frau Cosima hatte ihn auf den Hof gebracht, sie hatte Marienhöhe bereits während ihrer Gärtnerausbildung kennengelernt. »So, nun muss ich los. Heute bin ich dran mit Mittagessenkochen«, verabschiedet sich unser Gastgeber schließlich und zieht sich gemeinsam mit einer kleinen Horde Kinder in das Wohnhaus zurück. Wir nutzen die Gelegenheit und decken uns im Hofladen mit den hofeigenen Spezialitäten für unser Picknick ein. Unser absolutes Highlight sind der Findling-Käse und die die deftigen Rindsknacker.
HOFLADEN
Rohmilch und -Butter werden ab Hof verkauft. Auch auf dem Wochenmarkt auf dem Chamissoplatz in Berlin-Kreuzberg gibt es Produkte der Hofgemeinschaft zu kaufen.
Von Marienhöhe aus laufen wir zunächst westlich nach Kolpin, von wo aus wir nun hauptsächlich Etappe 11 des 66-Seen-Wanderwegs folgen. Über Feldwege und vorbei an reifen Getreidefeldern führt uns der Weg danach in südlicher Richtung weiter bis wir nach Reichenwalde gelangen. Von dort aus orientieren wir uns auf moosig-grasigem Kiefernwaldboden gen Westen Richtung Storkow, wo uns noch vor dem Ortsrand eine ganz besondere Landschaftsform erwartet: Es geht bergauf und wird merklich sandiger bis wir schließlich inmitten einer fast wüstenartigen Umgebung stehen. Die Binnendüne Waltersberge ist mit 36 Metern Höhe die höchste Deutschlands und mit 16 Hektar Fläche auch ziemlich weitläufig. Auf der Nordseite merkt man kaum etwas von dem vielen Sand, denn hier bilden Traubenkirschen und Robinien ein grünes Dach. Am Südhang aber ziehen wir uns die Schuhe aus und sinken barfuß in den heißen Sand ein. An diesem warmen Sommertag mit nichts als Sand um uns herum kommt direkt Urlaubsfeeling auf und Brandenburg scheint weit weg zu sein.
Nach Storkow laufen wir gar nicht hinein, sondern biegen am Ortseingang auf einen Bohlenweg ein. Bald erreichen wir zum ersten Mal das Ostufer des Großen Storkower Sees, folgen diesem aber nur kurz und schlagen und uns in einen Kiefernwald Richtung Dahmsdorf. Der Weg führt weg vom See durch Wald und über Wiesen. Dieser Abschnitt wird etwas abenteuerlich, denn dort, wo auf der Karte eine Brücke eingezeichnet ist, führt nur eine dicker Ast über das Wasser eines Grabens hinweg. Weiter geht es durch ein Moor, hinter dem wir auf eine offene Wiese hinaustreten, auf der allerdings so viel Wasser steht, dass wir den Rest des Tages mit durchweichten Schuhen bestreiten müssen. Als wir endlich auf den offiziellen Weg zurückfinden, sind wir froh über die geteerte Gerade, die uns vergleichsweise bequem bis zum Campingplatz Dahmsdorf führt. Hinter dem Campingplatz entdecken wir eine wunderschöne — und vor allem die einzige — Badestelle auf dieser Seite des Großen Storkower Sees. Ein herrlich sandig-flacher Einstieg und die Abendsonne auf der Liegewiese lassen uns hier eine Weile entspannen. Die letzten Kilometer des Tages führen uns weiter am See entlang nach Wendisch Rietz, von wo aus wir in den Bus nach Bad Saarow steigen, zu unserem Nachtquartier.
Die Strecke, die wir uns heute vorgenommen haben, ist eine perfekte Tour für den Hochsommer. In immerhin vier der Seen, an denen wir vorbeikommen, lässt es sich herrlich baden. Wir orientieren uns grob an Etappe 12 des 66-Seen-Wanderweges, weichen von dieser Route jedoch ab um einen Rundweg daraus zu machen. Als Start- und Endpunkt wählen wir Wendisch Rietz, das ist gut mit dem Bus zu erreichen.
Der erste Abschnitt führt uns Richtung Südwesten, zum Glubigsee. Die breiten Wege durch den Kiefernwald verwandeln sich am Westufer des Sees in schmale Trampelpfade. Den kleinen Kanal, der am Südende des Gewässers zum sich anschließenden Springsee führt, überqueren wir auf einer Brücke. Das Nordufer des Springsees streifen wir nur kurz, bevor wir an der östlichen Seite des Sees den offiziellen 66-Seen-Wanderweg verlassen und Richtung Möllendorf weiterlaufen. Auf federndem Waldboden bewegen wir uns eine Weile lang durch Kiefernmonotonie und schlagen einen Bogen über die Dörfer Möllendorf und Limsdorf. Bevor wir hinter Limsdorf einen lichten Wald erreichen, säumen Pflaumen- und andere Obstbäume den Feldweg. Hier lässt es sich im Herbst zur Erntezeit sicher gut naschen.
Eine tolle sandige Badestelle entdecken wir am Südzipfel des Goldnasees. Über uns schaukeln die Wipfel sanft im Wind, Kiefernzapfen drücken sich von unten durch das Badehandtuch. Nach einer ausgiebigen Schwimm- und Liegepause brechen wir schließlich auf, um am Westufer entlang wieder Richtung Norden auf den markierten Weg zurück zu gelangen. Der Grubensee oder auch Tiefer See ist unser nächstes Badeziel. Am Westufer finden wir versteckt im Schilf einen etwas maroden Steg, auf dem wir uns nach dem Baden in der Sonne wärmen. Doch nicht nur uns gefällt dieses Plätzchen. Vorbei ist es mit der Ruhe als eine ziemlich freche Ringelnatter sich aus dem Wasser hoch zu uns auf den Steg schlängelt.
Wir brechen wieder auf. Ein Stück weiter nördlich liegt der Naturcampingplatz Grubensee mitten im Wald. Hier überqueren wir die Straße und gelangen über einen Pfad durch den Kiefernwald an das Ostufer des Melangsees. Das waldige Hochufer ist zum Baden nicht besonders geeignet, deshalb freuen wir uns als wir etwas später in der Abendstimmung den Springsee erreichen und an einer sehr einladenden Stelle noch einmal ins Wasser springen können. Am Glubigsee entlang führt uns ein schmaler Pfad schließlich unterhalb des Feriendorfes zurück nach Wendisch Rietz.
»Es gibt keine richtige Art Natur zu sehen. Es gibt hundert.«
— Kurt Tucholsky