Die Tour an der Mecklenburger Seenplatte fühlt sich für uns an wie Heimkehren. Bereits vor zwei Jahren sind wir diese Strecke gewandert und haben zufällig das Forsthaus Strelitz entdeckt, wo wir auch dieses Mal kulinarisch ins Schwärmen geraten. Entlang des Müritz-Nationalparkwegs durchstreifen wir das »Land der tausend Seen« mit seinen vielen Gewässern, Mooren und den mächtigen alten Bäumen im Weltnaturerbe Serrahner Buchenwälder.
MÜRITZ-NATIONALPARK-WEG
Der Rundwanderweg führt in 9 Etappen auf rund 170 km durch den wasserreichen Nationalpark. Wir sind (in etwa) die Etappen 4, 5 und 6 gewandert. Weitere Infos und eine genaue Wegbeschreibung findet ihr HIER.
Am langen Wochenende um den ersten Mai wandern wir drei Tage lang durch den Müritz-Nationalpark. Schon das Verkehrsmittel, mit dem wir Wesenberg erreichen, den Startpunkt unserer Tour, ist ein kleines Highlight. Die Fahrt mit dem sehr alten und sehr kurzen Zug der Hanseatischen Eisenbahn, kurz »Hans«, fühlt sich an wie eine Zeitreise und ist ein nostalgisches Erlebnis — allemal für Eisenbahnfans.
Mit grauem Himmel und von Zeit zu Zeit auch etwas Regen erfüllt dieser vorletzte Apriltag zuverlässig sein Klischee. Trotzdem begeistert uns die sanfte Landschaft, in der sich offenes Feld und kleinere Waldstücke abwechseln, als wir oberhalb des Woblitzsees in nordöstlicher Richtung starten. Beim Campingplatz Havelberge geht es ein Stück direkt am Ufer des Sees entlang bevor wir nach Groß Quassow abbiegen. Dort thront direkt am Ortseingang ein Storchennest auf einem Scheunendach, an der Infotafel lesen wir ab, in welchen Jahren die Störche ihr Nest hier bezogen haben und wieviele Junge sie jedes Jahr hatten.
Kurz hinter der Voßwinkler Schleuse erreichen wir die Kalkhorst, ein teilweise als Naturschutzgebiet ausgewiesenes Waldstück, dessen Name auf den kalkhaltigen Boden verweist. Wir passieren moorige Flächen und einen alten Laubwaldbestand. Die Schilder des Naturlehrpfades erklären uns die Pflanzen und Tiere, die wir sehen. Wir wundern uns über tief ausgehobene Löcher am Wegrand — es sind ehemalige Wolfsgruben. Daneben ragen riesige Nadelbäume in den Himmel, die wir nun als Douglasien benennen können. Aber bei der Orientierung helfen uns diese Lehrschilder nicht weiter, wir verfranzen uns ganz ordentlich im dichten Wegenetz und brauchen eine ganze Weile bis wir wieder auf den richtigen Weg zurückfinden. Eine Lindenallee führt uns schließlich wieder aus dem Wald hinaus. Über Felder geht es noch ein Stück gen Süden bevor wir an der Bundesstraße mit dem Forsthaus Strelitz unser Etappenziel erreichen.
Als wir vor zwei Jahren zufällig am Abend der Saisoneröffnung in das Forsthaus Strelitz gestolpert sind, waren wir ganz überrascht, was uns dort erwartete. Wir hatten auf der Landkarte eine Einkehr gesehen und lediglich gehofft, dort irgendetwas Warmes zu Essen zu bekommen. Das Essen entpuppte sich als ein raffiniertes Mehrgängemenü, der Ort als ein kulinarisches Kleinod. Und heute hat gefühlt schon jede Gastro- und Lifestylezeitschrift darüber berichtet.
FORSTHAUS STRELITZ
Berliner Chaussee 1
17235 Neustrelitz
www.forsthaus-strelitz.de
Allein der große runde Tisch, an dem wir gemeinsam mit anderen Gästen speisen, ist eine Garantie für einen unterhaltsamen Abend: Früher oder später kommt man mit jedem ins Gespräch — bei unserem Besuch sitzt neben uns der Schauspieler Jürgen Vogel. Da für alle die gleiche Menüfolge serviert wird kann man bei den Nachbarn, die schneller essen, schon mal schauen, was man gleich auf dem eigenen Teller haben wird. Hausherr Wenzel Pankratz bekocht uns mit wirklich spannenden sechs Gängen. Besonders die Kombinationen der Zutaten haben es uns angetan — Zander mit Lakritz und Zwiebel ist beispielsweise der Knaller. Seine Küche zieht auch Gäste von weiter her an, Berliner und auch Hamburger machen sich auf den Weg nach Neustrelitz. Für die Gäste, die gleich ein ganzes Wochenende hier draußen in der Idylle verbringen wollen, stehen acht schlicht und stilsicher eingerichtete Zimmer bereit. Mit den Produkten aus dem Hofladen kann man sich dann auch den Geschmack des Abends als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Die Regale sind bestückt mit allerhand Eingelegtem, mit selbstgemachten Marmeladen, Honig und Säften.
Bei der Frage danach, wie er selbst seine Küche bezeichnen würde, tut sich Wenzel schwer. »Ach, eigentlich will ich das gar nicht beschreiben. Ich koche das, worauf wir Bock haben. Das, was Sinn macht — je nach Saison, je nachdem was da ist.« Das ist wohl eines der Hauptmerkmale von Wenzels Küche — er kocht mit dem, was gerade da ist. Und mit »da« meint er den eigenen Hof. Alles wird hier selbst angebaut und selbst produziert. Im Garten zieht Wenzel Gemüse und Kräuter, verwendet aber auch ungewöhnlichere essbare Pflanzen. Als wir vor zwei Jahren hier waren haben wir zum Beispiel Buschwindröschen auf dem Teller gehabt. Grüne Holunderbeeren legt er als Kapern ein. Auch das Fleisch stammt von den eigenen Tieren. Beim Reifen probiert Wenzel gerne auch alte Methoden aus, über die heute nicht mehr viele Bescheid wissen.
Das, was er nicht selber auf dem Hof hat, bekommt er aus der unmittelbaren Umgebung. »Fisch zum Beispiel, da habe ich drei oder vier Leute, die selber fischen. Der eine fängt Zander, der andere nur Hecht. Und die rufe ich dann eben an.« Und während er so über seine Fischer nachdenkt, fällt ihm ein Tipp für uns ein: »Ihr müsst auch mal nach Kratzeburg, kennt ihr das? Bei den Fischern da gibt’s was zu essen und dort kann man auch toll wandern. Wunderschöne Gegend.«
HAVELQUELLSEE FISCHEREI
Kratzeburg
www.fischerei-berkholz.de
Auch die Saison bestimmt natürlich, was auf das Menü gesetzt wird. »Der Winter ist eigentlich ’ne gute Jahreszeit, da hat man noch viel aus dem Sommer, Sachen, die man einlagern kann. Aber jetzt im Frühling ist es schwieriger, da muss man sich schon was ausdenken.« Ein Gericht, das sich Wenzel ausgedacht hat, sind die fermentierten Mairübchen, die der Schulter vom Milchkalb auf unserem Teller ein säuerlicher Begleiter sind. Auch die eingelegten Vogelbeeren, die am nächsten Morgen mit Joghurt und Honig zum Frühstück gereicht werden, sind ein köstliches Beispiel für die Haltbarmachung der Ernte aus dem letzten Jahr. Unser Blick schweift über die Weckgläser und trübgefüllten Flaschen im Regal und bleibt schließlich an einem großen weißen Kanister hängen. Darin reift Wenzels jüngstes Experiment: Mit dem Honig, den die eigenen Bienen hinter dem Haus liefern, hat er einen Essig angesetzt. Auch hiervon verkauft er, was er nicht für die Küche benötigt, in kleinen Flaschen.
Das Kochen und Verarbeiten sind aber tatsächlich nur ein Teil von Wenzels Arbeit. »Die Abwechslung hier, die mag ich besonders.« Er gärtnert, sammelt allerlei Essbares aus der Umgebung und ist sogar für die Einrichtung der Zimmer selbst verantwortlich. Und er erzählt herrlich offen von den Lösungen, die er für verschiedene Fragestellungen in seinem Alltag so findet: Schon am Vortag waren uns im Wald die riesigen Douglasien aufgefallen, die man hier in der Gegend häufiger sieht. Als wir abends auf unseren Tellern Douglasienöl als Beigabe zu Kohlrabi und kräftiger, fast sperrig schmeckender Fleischbrühe finden, drängt sich uns eine ganz pragmatische Frage auf: Wie kommt man an die hoch über dem Boden wachsenden Zweige überhaupt heran? Wenzel muss lachen, dass wir ausgerechnet das von ihm wissen wollen. »Sturmschäden«, murmelt er und grinst komplizenhaft. »Anfangs konnte ich immer mit der Leiter ein Stück hoch und die Zweige dann runterreißen, aber jetzt geht das nicht mehr — und ich bin auch zu faul. Die Nadeln mixe ich dann mit Öl.«
Wenzel ist hier aufgewachsen, 2014 hat er das Restaurant von seinem Vater übernommen. »Eigentlich war es klar, dass ich das hier machen werde. Jedenfalls seit ich 16 oder 17 war. Es war nie so richtig eine Option so einen Laden in Berlin oder anderswo aufzumachen.« Viel Anderes angeschaut hat er sich trotzdem, er hat bei Sterneköchen gelernt und gearbeitet: Michael Kempf in Berlin, Bobby Bräuer in Kitzbühel, Andreas Caminada auf dem schweizer Schloss Schauenstein und Jonnie Boer im niederländischen Zwolle. Und dann eben die Rückkehr zum Elternhaus nach Neustrelitz. »So einen Ort hier lässt man sich ja auch nicht entgehen.«
Nach einem fabelhaften Frühstück mit frisch gelegten Eiern und selbstgebackenem Brot verlassen wir das Forsthaus und laufen gen Fürstensee. Die Frühlingssonne leuchtet durch die Zweige des Mischwalds, auf dem schnurgeraden Sandweg laufen unsere Füße fast von allein. Am Ostufer des Großen Fürstenseer Sees erwartet uns eine Wahnsinns-Badestelle. Karibisch blaues Wasser und ein sandig-flacher Einstieg sind so verführerisch, dass wir uns trotz April-Temperaturen kurz ins kalte Wasser wagen.
Der nächste Wegabschnitt führt durch einen Blaubeerwald. Kleine noch rosafarbene Beeren lugen unter leuchtend grünen Blättern hervor. Beim Picknick auf dem Boden hören wir Bienen und Hummeln summen. Ein Stück weiter glitzert rechter Hand in einiger Entfernung der Plasterinsee zwischen den Kiefernstämmen hindurch. Am Lutowsee liegt das Dörfchen Herzwolde, an dessen Ortsausgang sich ein schöner Rastplatz befindet, den wir uns für das nächste Mal merken. Auf einer Fahrspur aus Betonplatten gelangen wir in den Wald hinein. Als wir kurze Zeit später links abbiegen lichten sich die Stämme, und wir rascheln durch Buchenlaub aus dem letzten Herbst, während gleichzeitig das neue Grün junger Blätter schon an den Zweigen blitzt. An einem birkenbestandenen Moor verlassen wir den Müritz-Nationalparkweg und laufen ohne die Markierung auf Forstwegen weiter.
Am Nachmittag gönnen wir uns an einem besonders schönen Ort ein Schläfchen in der Sonne. Auf einer kleinen Lichtung steht ein riesiger Weißdornbusch, der die Luft mit seinem süßlichen Aroma erfüllt. Ein toller Platz zum Verweilen. Zwei Spaziergänger weisen uns darauf hin, dass direkt hinter dem Busch die Überreste der Willerts Mühle zu finden sind, die hier lange Zeit wirtschaftete bis das Gebäude nach dem 2. Weltkrieg verfiel. Mit der alten Goldenbaumer Landstraße passieren wir gleich um die Ecke gleich noch ein Zeugnis der Vergangenheit. Die Pflastersteine, auf denen wir laufen, gehören zu diesem alten Postweg. Am Ostufer des Schweingartensees liegt ein Wegstück so nah am See, dass es etwas unter Wasser steht und wir über Holzstämme balancieren um unsere Strecke trockenen Fußes fortsetzen zu können. Ab hier ist der Wald von kleineren und größeren Mooren durchzogen, insgesamt führt der Weg an fünf oder sechs Sumpfflächen vorbei.
Im Abendlicht erreichen wir schließlich Carpin, unser heutiges Etappenziel. Zum Abendessen sind wir mit Agnes und Sebastian verabredet, die wir vor zwei Jahren im Forsthaus kennengelernt hatten. Auch dies ist wieder so eine schöne Begegnung, die unsere Entdeckungstouren so mit sich bringen.
LANDGASTHOF AM SCHLESERSEE
Hauptstr. 25
17237 Carpin
www.landgasthof-schlesersee.de
Weiter geht es an Tag drei östlich von Neustrelitz in Richtung der Feldberger Seenlandschaft. Wir verlassen Carpin gen Südwesten und schlagen uns rechter Hand in den Wald hinein. Eine ganze Menge Kastanien zieren diesen lebendigen Mischwald. Nachdem wir gestern bereits das Ostufer kennengelernt haben treffen wir heute an seinem nördlichen Ufer wieder auf den Schweingartensee. An einem sonnigen Rastplatz direkt am See steigt uns der frische Duft von Wasserminze in die Nase. Weiter führt uns der Weg in einen wunderschönen naturbelassenen Wald mit vielen besonders alten Buchen. Dieses Gebiet gehört seit 2011 zum UNESCO Weltnaturerbe der Alten Buchenwälder Deutschlands. Hier können wir erahnen wie die Urwälder in unseren Breiten einmal ausgesehen haben müssen. Seit 60 Jahren hat der Mensch hier nicht mehr eingegriffen, sondern den Wald sich selbst überlassen. Fällt ein Baum um, bleibt er einfach liegen, verrottet langsam und das Totholz dient Tieren und Pflanzen als Lebensraum. Wenn man Glück hat, kann man in diesem Naturschutzgebiet sogar See- oder Fischadler sehen.
WALDERLEBNISPFAD SERRAHN
Auf vielen Wegen lässt es sich durch den Nationalpark Serrahn wandeln. Ein Empfehlenswerter ist DIESER.
SERRAHN CAFÉ
Gartencafé Kristina Lange-Weber
wochenends geöffnet,
am besten aber vorab anrufen
T 0176 200 55 648
Näheres zur Fotoausstellung findet ihr HIER. Außerdem gibt's im Ort auch eine FERIENWOHNUNG.
Der Ort Serrahn umfasst zwar nur eine Handvoll Häuser, ist aber eine echte Empfehlung. Dort bietet Familie Weber wochenends hungrigen Gästen frisch gebackenen Kuchen auf der Gartenterrasse an. Weil wir schon vor der eigentlichen Öffnungszeit an das Gartentor klopfen, ist der Kuchen noch im Ofen. Wir müssen uns ein paar Minuten gedulden bevor uns ein sagenhafter warmer Rhabarberkuchen serviert wird. Wer sich für den Wald und seine Bewohner interessiert, dem sei die sehr gut aufbereitete Nationalpark-Ausstellung im Forsthaus Serrahn empfohlen. Gleich nebenan zeigt der Naturfotograf Roman Vitt seine Werke in einer öffentlich zugänglichen Ausstellung.
Es lohnt sich, in Serrahn vom Müritz-Nationalparkweg abzuweichen und am Rand des Ortes über einen Bohlenweg durch das Moor zu laufen. Am jenseitigen Ufer sind mehrere Wege ausgeschildert, wir folgen dem Symbol des Buchenblattes. Ein Trampelpfad führt uns dicht an den Zweigen der Bäume entlang durch den Wald. Am Großen Serrahnsee genießen wir die Aussicht von einem Vogelbeobachtungsturm aus. Hier hat man einen tollen Blick auf das Moor, das noch vor dem See liegt. Mit uns auf dem Turm verfolgt ein Pärchen durch sein Fernglas mehrere Kraniche, die mit bloßem Auge nur schwer im Schilf zu erkennen sind. Ein Stück weiter legen wir uns in die Hängematten, die dort mitten im Fichtenwald angebracht sind. Hier kann man herrlich den Blick in den Himmel richten und dem Schaukeln der Baumkronen folgen. Eine ganze Weile laufen wir nun durch Kiefernbestände, immer wieder säumen Heidelbeeren den Waldboden. Eine Lichtung bietet sich zur Rast an, ein Hang, der sich zu einer Moorwiese hin neigt, wird Sinas Lieblingsplatz der Wanderung. Schließlich führt uns ein alter gepflasterter Weg vorbei am Jägerpöhl nach Neustrelitz.
»Es gibt keine richtige Art Natur zu sehen. Es gibt hundert.«
— Kurt Tucholsky
Die Tour an der Mecklenburger Seenplatte fühlt sich für uns an wie Heimkehren. Bereits vor zwei Jahren sind wir diese Strecke gewandert und haben zufällig das Forsthaus Strelitz entdeckt, wo wir auch dieses Mal kulinarisch ins Schwärmen geraten. Entlang des Müritz-Nationalparkwegs durchstreifen wir das »Land der tausend Seen« mit seinen vielen Gewässern, Mooren und den mächtigen alten Bäumen im Weltnaturerbe Serrahner Buchenwälder.
Am langen Wochenende um den ersten Mai wandern wir drei Tage lang durch den Müritz-Nationalpark. Schon das Verkehrsmittel, mit dem wir Wesenberg erreichen, den Startpunkt unserer Tour, ist ein kleines Highlight. Die Fahrt mit dem sehr alten und sehr kurzen Zug der Hanseatischen Eisenbahn, kurz »Hans«, fühlt sich an wie eine Zeitreise und ist ein nostalgisches Erlebnis — allemal für Eisenbahnfans.
Mit grauem Himmel und von Zeit zu Zeit auch etwas Regen erfüllt dieser vorletzte Apriltag zuverlässig sein Klischee. Trotzdem begeistert uns die sanfte Landschaft, in der sich offenes Feld und kleinere Waldstücke abwechseln, als wir oberhalb des Woblitzsees in nordöstlicher Richtung starten. Beim Campingplatz Havelberge geht es ein Stück direkt am Ufer des Sees entlang bevor wir nach Groß Quassow abbiegen. Dort thront direkt am Ortseingang ein Storchennest auf einem Scheunendach, an der Infotafel lesen wir ab, in welchen Jahren die Störche ihr Nest hier bezogen haben und wieviele Junge sie jedes Jahr hatten.
MÜRITZ-NATIONALPARK-WEG
Der Rundwanderweg führt in 9 Etappen auf rund 170 km durch den wasserreichen Nationalpark. Wir sind (in etwa) die Etappen 4, 5 und 6 gewandert. Weitere Infos und eine genaue Wegbeschreibung findet ihr HIER.
Kurz hinter der Voßwinkler Schleuse erreichen wir die Kalkhorst, ein teilweise als Naturschutzgebiet ausgewiesenes Waldstück, dessen Name auf den kalkhaltigen Boden verweist. Wir passieren moorige Flächen und einen alten Laubwaldbestand. Die Schilder des Naturlehrpfades erklären uns die Pflanzen und Tiere, die wir sehen. Wir wundern uns über tief ausgehobene Löcher am Wegrand — es sind ehemalige Wolfsgruben. Daneben ragen riesige Nadelbäume in den Himmel, die wir nun als Douglasien benennen können. Aber bei der Orientierung helfen uns diese Lehrschilder nicht weiter, wir verfranzen uns ganz ordentlich im dichten Wegenetz und brauchen eine ganze Weile bis wir wieder auf den richtigen Weg zurückfinden. Eine Lindenallee führt uns schließlich wieder aus dem Wald hinaus. Über Felder geht es noch ein Stück gen Süden bevor wir an der Bundesstraße mit dem Forsthaus Strelitz unser Etappenziel erreichen.
Als wir vor zwei Jahren zufällig am Abend der Saisoneröffnung in das Forsthaus Strelitz gestolpert sind, waren wir ganz überrascht, was uns dort erwartete. Wir hatten auf der Landkarte eine Einkehr gesehen und lediglich gehofft, dort irgendetwas Warmes zu Essen zu bekommen. Das Essen entpuppte sich als ein raffiniertes Mehrgängemenü, der Ort als ein kulinarisches Kleinod. Und heute hat gefühlt schon jede Gastro- und Lifestylezeitschrift darüber berichtet.
FORSTHAUS STRELITZ
Berliner Chaussee 1
17235 Neustrelitz
www.forsthaus-strelitz.de
Allein der große runde Tisch, an dem wir gemeinsam mit anderen Gästen speisen, ist eine Garantie für einen unterhaltsamen Abend: Früher oder später kommt man mit jedem ins Gespräch — bei unserem Besuch sitzt neben uns der Schauspieler Jürgen Vogel. Da für alle die gleiche Menüfolge serviert wird kann man bei den Nachbarn, die schneller essen, schon mal schauen, was man gleich auf dem eigenen Teller haben wird. Hausherr Wenzel Pankratz bekocht uns mit wirklich spannenden sechs Gängen. Besonders die Kombinationen der Zutaten haben es uns angetan — Zander mit Lakritz und Zwiebel ist beispielsweise der Knaller. Seine Küche zieht auch Gäste von weiter her an, Berliner und auch Hamburger machen sich auf den Weg nach Neustrelitz. Für die Gäste, die gleich ein ganzes Wochenende hier draußen in der Idylle verbringen wollen, stehen acht schlicht und stilsicher eingerichtete Zimmer bereit. Mit den Produkten aus dem Hofladen kann man sich dann auch den Geschmack des Abends als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Die Regale sind bestückt mit allerhand Eingelegtem, mit selbstgemachten Marmeladen, Honig und Säften.
Bei der Frage danach, wie er selbst seine Küche bezeichnen würde, tut sich Wenzel schwer. »Ach, eigentlich will ich das gar nicht beschreiben. Ich koche das, worauf wir Bock haben. Das, was Sinn macht — je nach Saison, je nachdem was da ist.« Das ist wohl eines der Hauptmerkmale von Wenzels Küche — er kocht mit dem, was gerade da ist. Und mit »da« meint er den eigenen Hof. Alles wird hier selbst angebaut und selbst produziert. Im Garten zieht Wenzel Gemüse und Kräuter, verwendet aber auch ungewöhnlichere essbare Pflanzen. Als wir vor zwei Jahren hier waren haben wir zum Beispiel Buschwindröschen auf dem Teller gehabt. Grüne Holunderbeeren legt er als Kapern ein. Auch das Fleisch stammt von den eigenen Tieren. Beim Reifen probiert Wenzel gerne auch alte Methoden aus, über die heute nicht mehr viele Bescheid wissen.
Das, was er nicht selber auf dem Hof hat, bekommt er aus der unmittelbaren Umgebung. »Fisch zum Beispiel, da habe ich drei oder vier Leute, die selber fischen. Der eine fängt Zander, der andere nur Hecht. Und die rufe ich dann eben an.« Und während er so über seine Fischer nachdenkt, fällt ihm ein Tipp für uns ein: »Ihr müsst auch mal nach Kratzeburg, kennt ihr das? Bei den Fischern da gibt’s was zu essen und dort kann man auch toll wandern. Wunderschöne Gegend.«
HAVELQUELLSEE FISCHEREI
Kratzeburg
www.fischerei-berkholz.de
Auch die Saison bestimmt natürlich, was auf das Menü gesetzt wird. »Der Winter ist eigentlich ’ne gute Jahreszeit, da hat man noch viel aus dem Sommer, Sachen, die man einlagern kann. Aber jetzt im Frühling ist es schwieriger, da muss man sich schon was ausdenken.« Ein Gericht, das sich Wenzel ausgedacht hat, sind die fermentierten Mairübchen, die der Schulter vom Milchkalb auf unserem Teller ein säuerlicher Begleiter sind. Auch die eingelegten Vogelbeeren, die am nächsten Morgen mit Joghurt und Honig zum Frühstück gereicht werden, sind ein köstliches Beispiel für die Haltbarmachung der Ernte aus dem letzten Jahr. Unser Blick schweift über die Weckgläser und trübgefüllten Flaschen im Regal und bleibt schließlich an einem großen weißen Kanister hängen. Darin reift Wenzels jüngstes Experiment: Mit dem Honig, den die eigenen Bienen hinter dem Haus liefern, hat er einen Essig angesetzt. Auch hiervon verkauft er, was er nicht für die Küche benötigt, in kleinen Flaschen.
Das Kochen und Verarbeiten sind aber tatsächlich nur ein Teil von Wenzels Arbeit. »Die Abwechslung hier, die mag ich besonders.« Er gärtnert, sammelt allerlei Essbares aus der Umgebung und ist sogar für die Einrichtung der Zimmer selbst verantwortlich. Und er erzählt herrlich offen von den Lösungen, die er für verschiedene Fragestellungen in seinem Alltag so findet: Schon am Vortag waren uns im Wald die riesigen Douglasien aufgefallen, die man hier in der Gegend häufiger sieht. Als wir abends auf unseren Tellern Douglasienöl als Beigabe zu Kohlrabi und kräftiger, fast sperrig schmeckender Fleischbrühe finden, drängt sich uns eine ganz pragmatische Frage auf: Wie kommt man an die hoch über dem Boden wachsenden Zweige überhaupt heran? Wenzel muss lachen, dass wir ausgerechnet das von ihm wissen wollen. »Sturmschäden«, murmelt er und grinst komplizenhaft. »Anfangs konnte ich immer mit der Leiter ein Stück hoch und die Zweige dann runterreißen, aber jetzt geht das nicht mehr — und ich bin auch zu faul. Die Nadeln mixe ich dann mit Öl.«
Wenzel ist hier aufgewachsen, 2014 hat er das Restaurant von seinem Vater übernommen. »Eigentlich war es klar, dass ich das hier machen werde. Jedenfalls seit ich 16 oder 17 war. Es war nie so richtig eine Option so einen Laden in Berlin oder anderswo aufzumachen.« Viel Anderes angeschaut hat er sich trotzdem, er hat bei Sterneköchen gelernt und gearbeitet: Michael Kempf in Berlin, Bobby Bräuer in Kitzbühel, Andreas Caminada auf dem schweizer Schloss Schauenstein und Jonnie Boer im niederländischen Zwolle. Und dann eben die Rückkehr zum Elternhaus nach Neustrelitz. »So einen Ort hier lässt man sich ja auch nicht entgehen.«
Nach einem fabelhaften Frühstück mit frisch gelegten Eiern und selbstgebackenem Brot verlassen wir das Forsthaus und laufen gen Fürstensee. Die Frühlingssonne leuchtet durch die Zweige des Mischwalds, auf dem schnurgeraden Sandweg laufen unsere Füße fast von allein. Am Ostufer des Großen Fürstenseer Sees erwartet uns eine Wahnsinns-Badestelle. Karibisch blaues Wasser und ein sandig-flacher Einstieg sind so verführerisch, dass wir uns trotz April-Temperaturen kurz ins kalte Wasser wagen.
Der nächste Wegabschnitt führt durch einen Blaubeerwald. Kleine noch rosafarbene Beeren lugen unter leuchtend grünen Blättern hervor. Beim Picknick auf dem Boden hören wir Bienen und Hummeln summen. Ein Stück weiter glitzert rechter Hand in einiger Entfernung der Plasterinsee zwischen den Kiefernstämmen hindurch. Am Lutowsee liegt das Dörfchen Herzwolde, an dessen Ortsausgang sich ein schöner Rastplatz befindet, den wir uns für das nächste Mal merken. Auf einer Fahrspur aus Betonplatten gelangen wir in den Wald hinein. Als wir kurze Zeit später links abbiegen lichten sich die Stämme, und wir rascheln durch Buchenlaub aus dem letzten Herbst, während gleichzeitig das neue Grün junger Blätter schon an den Zweigen blitzt. An einem birkenbestandenen Moor verlassen wir den Müritz-Nationalparkweg und laufen ohne die Markierung auf Forstwegen weiter.
Am Nachmittag gönnen wir uns an einem besonders schönen Ort ein Schläfchen in der Sonne. Auf einer kleinen Lichtung steht ein riesiger Weißdornbusch, der die Luft mit seinem süßlichen Aroma erfüllt. Ein toller Platz zum Verweilen. Zwei Spaziergänger weisen uns darauf hin, dass direkt hinter dem Busch die Überreste der Willerts Mühle zu finden sind, die hier lange Zeit wirtschaftete bis das Gebäude nach dem 2. Weltkrieg verfiel. Mit der alten Goldenbaumer Landstraße passieren wir gleich um die Ecke gleich noch ein Zeugnis der Vergangenheit. Die Pflastersteine, auf denen wir laufen, gehören zu diesem alten Postweg. Am Ostufer des Schweingartensees liegt ein Wegstück so nah am See, dass es etwas unter Wasser steht und wir über Holzstämme balancieren um unsere Strecke trockenen Fußes fortsetzen zu können. Ab hier ist der Wald von kleineren und größeren Mooren durchzogen, insgesamt führt der Weg an fünf oder sechs Sumpfflächen vorbei.
Im Abendlicht erreichen wir schließlich Carpin, unser heutiges Etappenziel. Zum Abendessen sind wir mit Agnes und Sebastian verabredet, die wir vor zwei Jahren im Forsthaus kennengelernt hatten. Auch dies ist wieder so eine schöne Begegnung, die unsere Entdeckungstouren so mit sich bringen.
LANDGASTHOF AM SCHLESERSEE
Hauptstr. 25
17237 Carpin
www.landgasthof-schlesersee.de
Weiter geht es an Tag drei östlich von Neustrelitz in Richtung der Feldberger Seenlandschaft. Wir verlassen Carpin gen Südwesten und schlagen uns rechter Hand in den Wald hinein. Eine ganze Menge Kastanien zieren diesen lebendigen Mischwald. Nachdem wir gestern bereits das Ostufer kennengelernt haben treffen wir heute an seinem nördlichen Ufer wieder auf den Schweingartensee. An einem sonnigen Rastplatz direkt am See steigt uns der frische Duft von Wasserminze in die Nase. Weiter führt uns der Weg in einen wunderschönen naturbelassenen Wald mit vielen besonders alten Buchen. Dieses Gebiet gehört seit 2011 zum UNESCO Weltnaturerbe der Alten Buchenwälder Deutschlands. Hier können wir erahnen wie die Urwälder in unseren Breiten einmal ausgesehen haben müssen. Seit 60 Jahren hat der Mensch hier nicht mehr eingegriffen, sondern den Wald sich selbst überlassen. Fällt ein Baum um, bleibt er einfach liegen, verrottet langsam und das Totholz dient Tieren und Pflanzen als Lebensraum. Wenn man Glück hat, kann man in diesem Naturschutzgebiet sogar See- oder Fischadler sehen.
WALDERLEBNISPFAD SERRAHN
Auf vielen Wegen lässt es sich durch den Nationalpark Serrahn wandeln. Ein Empfehlenswerter ist DIESER.
Der Ort Serrahn umfasst zwar nur eine Handvoll Häuser, ist aber eine echte Empfehlung. Dort bietet Familie Weber wochenends hungrigen Gästen frisch gebackenen Kuchen auf der Gartenterrasse an. Weil wir schon vor der eigentlichen Öffnungszeit an das Gartentor klopfen, ist der Kuchen noch im Ofen. Wir müssen uns ein paar Minuten gedulden bevor uns ein sagenhafter warmer Rhabarberkuchen serviert wird. Wer sich für den Wald und seine Bewohner interessiert, dem sei die sehr gut aufbereitete Nationalpark-Ausstellung im Forsthaus Serrahn empfohlen. Gleich nebenan zeigt der Naturfotograf Roman Vitt seine Werke in einer öffentlich zugänglichen Ausstellung.
SERRAHN CAFÉ
Gartencafé Kristina Lange-Weber
wochenends geöffnet,
am besten aber vorab anrufen
T 0176 200 55 648
Näheres zur Fotoausstellung findet ihr HIER. Außerdem gibt's im Ort auch eine FERIENWOHNUNG.
Es lohnt sich, in Serrahn vom Müritz-Nationalparkweg abzuweichen und am Rand des Ortes über einen Bohlenweg durch das Moor zu laufen. Am jenseitigen Ufer sind mehrere Wege ausgeschildert, wir folgen dem Symbol des Buchenblattes. Ein Trampelpfad führt uns dicht an den Zweigen der Bäume entlang durch den Wald. Am Großen Serrahnsee genießen wir die Aussicht von einem Vogelbeobachtungsturm aus. Hier hat man einen tollen Blick auf das Moor, das noch vor dem See liegt. Mit uns auf dem Turm verfolgt ein Pärchen durch sein Fernglas mehrere Kraniche, die mit bloßem Auge nur schwer im Schilf zu erkennen sind. Ein Stück weiter legen wir uns in die Hängematten, die dort mitten im Fichtenwald angebracht sind. Hier kann man herrlich den Blick in den Himmel richten und dem Schaukeln der Baumkronen folgen. Eine ganze Weile laufen wir nun durch Kiefernbestände, immer wieder säumen Heidelbeeren den Waldboden. Eine Lichtung bietet sich zur Rast an, ein Hang, der sich zu einer Moorwiese hin neigt, wird Sinas Lieblingsplatz der Wanderung. Schließlich führt uns ein alter gepflasterter Weg vorbei am Jägerpöhl nach Neustrelitz.
»Es gibt keine richtige Art Natur zu sehen. Es gibt hundert.«
— Kurt Tucholsky