Es geht um die Wurst auf dem ehemaligen Rittergut Temmen in der südlichen Uckermark. Seen, Mischwälder und eine märchenhafte Atmosphäre bestimmen unsere Wanderung. Und wir begegnen einem Biberkind!
Bis nach Joachimsthal dauert es mit dem Zug von Berlin aus eineinhalb Stunden, die Uckermark liegt ja quasi vor der Haustür. Neben dem Kaiserbahnhof, der außerhalb des Ortes nahe dem Werbellinsee liegt, gibt es hier noch einen ganz profanen Bahnhof. An diesem Stadtbahnhof beginnt an diesem frostig-klaren Wochenende unsere Tour durch das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Weiße Reifkristalle überziehen nach einer kalten Nacht die Halme und Blätter, wir verlassen den Ort direkt hinter dem Bahnhof in Richtung Nordost. In einem Waldstück wundern wir uns über die vielen umgefallenen Fliegenpilze, die wahllos verstreut auf und neben den Wegen liegen. Ob die wohl der Frost gesprengt hat? Surreal ist diese Stimmung und ein bisschen warten wir darauf, dass gleich eine Märchenfigur hinter einem Baumstamm hervorlugt. Aber nichts passiert. Noch nicht.
Kurz nachdem wir auf das freie Feld hinaustreten, weist uns ein Kirchturm in der Ferne den Weg. Er gehört zum »Kranichdorf« Parlow, dem wir uns nähern. In diese Gegend kommen die Kraniche zum Brüten. Vom Ort aus laufen wir zum Großen Präßnicksee, wo uns eine fabelhafte Badestelle erwartet — unbedingt merken und im Sommer wiederkommen! Jetzt im November aber führt uns der Weg parallel zum See durch einen Buchenwald. Die Sonne lässt die gelben Kronen und den laubbedeckten Boden prächtig leuchten. Zwischen dem Großen und dem Kleinen Präßnicksee führt ein schmaler Damm entlang, noch davor liegt eine weitere verlockende Badestelle, an der wir uns niederlassen und picknicken. Auf dem See wartet ein Angler still in seinem Boot. Uns frieren schnell die Finger, allzu lange darf man bei diesen Temperaturen nicht still sitzen. Also laufen wir weiter, zwischen den Seen hindurch.
Als wir uns nach einem morastigen Abschnitt auf das Gehöft Luisenau zu bewegen, raschelt plötzlich etwas neben dem Weg im Gebüsch. Wir bleiben stehen, die Zweige schaukeln. Und hervor kommt ein dunkles, felliges Knäuel und läuft schnurstraks auf uns zu: ein Biber! Erst sind wir nicht sicher und glauben, es könnte eine Bisamratte sein. Aber der platte Schwanz verrät eindeutig, dass hier ein ganz junger Biber vor uns im Gras sitzt. So flauschig und so zutraulich. Wir wollen nichts falsch machen und bleiben auf Abstand, aber der Biber kommt immer wieder näher. Was ist wohl mit ihm los? Wir lassen das Tier lieber allein, laufen weiter Richtung Temmen. Und können kaum glauben, dass wir gerade wirklich ein Biberkind gesehen haben.
Die Pflasterstraße im Fachwerk-Dörfchen Poratz passieren wir noch in der Dämmerung, auf den letzten Kilometern dann ist es dunkle Nacht. Umso seliger sind wir, als wir unser warmes und gemütliches Zimmer im Gutshaus Temmen beziehen. Vor dem Fenster spiegelt sich das Mondlicht auf dem Düstersee. Wie passend, der Düstersee, die zersprengten Pilze und die Begegnung mit dem Biber — all das macht diese Tour ganz eigen und fast ein wenig märchenhaft.
GUT TEMMEN
Lindenallee 3a
17268 Temmen-Ringenwalde
www.gut-temmen.de
»Ich wusste ja, wie sie schmecken muss, die Wurst, die ich machen wollte«. Als Rolf Henke erzählt, wieso er jetzt hier in der Uckermark auf einem Gutshof Rinder und Schweine hält, landet er bei einer Kindheitserinnerung: luftgetrocknete Mettwurst. Sein Opa hatte damals geschmacklich das Ziel gesetzt, dem Henke nun mit seiner »Temmener Stracke« nacheifert. Immer, wenn damals bei den Großeltern geschlachtet wurde, wurde eine solche Wurst gemacht. Ungewohnt weich, mild und völlig rund gewürzt isst sich heute diese luftgetrocknete Mettwurst, die zum Aushängeschild des Hofes wurde.
UNSER TIPP
Die Wurstspezialitäten kann man direkt im hauseigenen Online-Shop ordern.
Im Reiferaum, wo die Stracke mindestens drei Monate in den lehmverputzten Räumen eines großen alten Fachwerkgebäudes hängt, spüren wir das angenehme Klima. »Früher war das hier der Kornspeicher«, erklärt Henke und knipst hinter uns das Licht aus, bevor wir wieder auf den Hof hinaus treten.
Ungewöhnlich ist das schon, denn eigentlich ist Henke Drucker. »Aus politischen Gründen« ist er zu diesem Beruf gekommen. In seinen Westberliner Studentenjahren begann er, verbotene Schriften zu vervielfältigen — die 68er. Später gründete er zwei Druckereien, die erste in Köln, die zweite in Berlin. Nach der Wende wurde das Leben auf dem Land interessant, er kam zur Ökodomäne Hohenwalde, wo Freunde einen Hof biologisch bewirtschafteten. Das ehemalige Rittergut Temmen war nur einen Steinwurf entfernt und als es zum Verkauf stand, kam Henke dem Investor zuvor, der einen Golfplatz daraus machen wollte.
UNSER TIPP
Im Gutshaus kann man in 5 urig-gemütlichen Zimmern übernachten. Im Sommer finden außerdem viele Events auf dem Gutsgelände statt wie z. B. das 7-Seen-Fest und die Uckermärkische Musikwoche.
»
Ich wusste ja, wie sie schmecken muss, die Wurst, die ich machen wollte.
«
»Mir war es wichtig, die Landwirtschaft zu erhalten«, sagt er und schlendert mit uns über den weitläufigen Hof zurück zum Haupthaus. Mit dem von ihm initiierten Bio-Bodenfonds Schorfheide engagiert sich Rolf Henke auch dafür, dass neben Gut Temmen auch andere Betriebe in der Umgebung langfristig ökologisch wirtschaften können.
Frau Henke bittet uns herein und führt uns in den Hofladen, der mit allerlei Köstlichkeiten aufwartet. »Eigentlich sind wir selbst unsere besten Kunden«, schüttelt die schlanke Frau lachend den Kopf. Verschiedene Teile vom Rind lagern im Froster, mehrere Sorten Wurst liegen in der Theke. Aber der Hofladen ist nicht der Hauptverkaufsort, mit diesen Produkten werden vor allem Berliner Biomärkte und Spitzengastronomie beliefert.
WILDSAMENINSEL
Uta Kietsch
www.wildsamen-insel.de
Knackig kalt ist die Luft am nächsten Morgen, der Frost lässt die Bäume glitzern. Wir laufen eine Runde um den Klaren See und lernen dabei auch die Temmener Kühe kennen, die hinter dem Hof die Sonne genießen. Auf Empfehlung der Henkes setzen wir unseren Weg Richtung Ringenwalde entlang des Großen Krinertsees fort. Ein Stück geht es am südlichen Seeufer entlang, vorbei an den Anbauflächen der Wildsamen-Insel. Hier züchtet Uta Kietsch Saatgut von Wildblumen, Kräutern und Gemüse.
Über Felder erreichen wir nach kurzer Zeit Hohenwalde. Ein wirklich unscheinbares kleines Dorf, in das sich dennoch ab und an Journalisten verirren: Angela Merkel residiert hier in ihrem Wochenendhäuschen. Eine Weile lang schauen wir uns um, inspizieren Gärten und versuchen durch Gardinen zu spähen. Erfolglos, es ist keine Menschenseele da, nirgends. Die Kanzlerin wird uns wohl nicht zum Tee empfangen. Macht nichts, denn wir freuen uns jetzt schon auf unsere Einkehr in Ringenwalde. Eine imposante alte Lindenallee führt uns in den Wald. Nach etwa einer Stunde Gehzeit und dem Passieren einer weiteren Lindenallee erreichen wir den Landgasthof zum Grünen Baum. Mitten im Ortskern betreibt Familie Räthel dieses gemütlich eingerichtete Restaurant mit bodenständiger Küche, die sich aus regionalen Zutaten bedient. So kommt etwa die köstliche Martinsgans direkt von der Weide im Nachbarort. Unmittelbar vor der Tür fährt später auch der Bus, der uns wieder zum Bahnhof Joachimsthal bringt.
LANDGASTHOF ZUM GRÜNEN BAUM
Dorfstraße 57
17268 Temmen-Ringenwalde
www.landgasthofzumgruenenbaum.de
Dies ist eine unserer zahlreichen Reisen vor die Haustür. Unter diesem Motto sind wir dem Aufruf von 1thingtodo gefolgt und teilen unseren Bericht auch auf ihrer Seite.
»Zu Fuß kann man besser schauen.«
— Paul Klee
Es geht um die Wurst auf dem ehemaligen Rittergut Temmen in der südlichen Uckermark. Seen, Mischwälder und eine märchenhafte Atmosphäre bestimmen unsere Wanderung. Und wir begegnen einem Biberkind!
Bis nach Joachimsthal dauert es mit dem Zug von Berlin aus eineinhalb Stunden, die Uckermark liegt ja quasi vor der Haustür. Neben dem Kaiserbahnhof, der außerhalb des Ortes nahe dem Werbellinsee liegt, gibt es hier noch einen ganz profanen Bahnhof. An diesem Stadtbahnhof beginnt an diesem frostig-klaren Wochenende unsere Tour durch das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Weiße Reifkristalle überziehen nach einer kalten Nacht die Halme und Blätter, wir verlassen den Ort direkt hinter dem Bahnhof in Richtung Nordost. In einem Waldstück wundern wir uns über die vielen umgefallenen Fliegenpilze, die wahllos verstreut auf und neben den Wegen liegen. Ob die wohl der Frost gesprengt hat? Surreal ist diese Stimmung und ein bisschen warten wir darauf, dass gleich eine Märchenfigur hinter einem Baumstamm hervorlugt. Aber nichts passiert. Noch nicht.
Kurz nachdem wir auf das freie Feld hinaustreten, weist uns ein Kirchturm in der Ferne den Weg. Er gehört zum »Kranichdorf« Parlow, dem wir uns nähern. In diese Gegend kommen die Kraniche zum Brüten. Vom Ort aus laufen wir zum Großen Präßnicksee, wo uns eine fabelhafte Badestelle erwartet — unbedingt merken und im Sommer wiederkommen! Jetzt im November aber führt uns der Weg parallel zum See durch einen Buchenwald. Die Sonne lässt die gelben Kronen und den laubbedeckten Boden prächtig leuchten. Zwischen dem Großen und dem Kleinen Präßnicksee führt ein schmaler Damm entlang, noch davor liegt eine weitere verlockende Badestelle, an der wir uns niederlassen und picknicken. Auf dem See wartet ein Angler still in seinem Boot. Uns frieren schnell die Finger, allzu lange darf man bei diesen Temperaturen nicht still sitzen. Also laufen wir weiter, zwischen den Seen hindurch.
Als wir uns nach einem morastigen Abschnitt auf das Gehöft Luisenau zu bewegen, raschelt plötzlich etwas neben dem Weg im Gebüsch. Wir bleiben stehen, die Zweige schaukeln. Und hervor kommt ein dunkles, felliges Knäuel und läuft schnurstraks auf uns zu: ein Biber! Erst sind wir nicht sicher und glauben, es könnte eine Bisamratte sein. Aber der platte Schwanz verrät eindeutig, dass hier ein ganz junger Biber vor uns im Gras sitzt. So flauschig und so zutraulich. Wir wollen nichts falsch machen und bleiben auf Abstand, aber der Biber kommt immer wieder näher. Was ist wohl mit ihm los? Wir lassen das Tier lieber allein, laufen weiter Richtung Temmen. Und können kaum glauben, dass wir gerade wirklich ein Biberkind gesehen haben.
Die Pflasterstraße im Fachwerk-Dörfchen Poratz passieren wir noch in der Dämmerung, auf den letzten Kilometern dann ist es dunkle Nacht. Umso seliger sind wir, als wir unser warmes und gemütliches Zimmer im Gutshaus Temmen beziehen. Vor dem Fenster spiegelt sich das Mondlicht auf dem Düstersee. Wie passend, der Düstersee, die zersprengten Pilze und die Begegnung mit dem Biber — all das macht diese Tour ganz eigen und fast ein wenig märchenhaft.
»Ich wusste ja, wie sie schmecken muss, die Wurst, die ich machen wollte«. Als Rolf Henke erzählt, wieso er jetzt hier in der Uckermark auf einem Gutshof Rinder und Schweine hält, landet er bei einer Kindheitserinnerung: luftgetrocknete Mettwurst. Sein Opa hatte damals geschmacklich das Ziel gesetzt, dem Henke nun mit seiner »Temmener Stracke« nacheifert. Immer, wenn damals bei den Großeltern geschlachtet wurde, wurde eine solche Wurst gemacht. Ungewohnt weich, mild und völlig rund gewürzt isst sich heute diese luftgetrocknete Mettwurst, die zum Aushängeschild des Hofes wurde.
GUT TEMMEN
Lindenallee 3a
17268 Temmen-Ringenwalde
www.gut-temmen.de
Im Reiferaum, wo die Stracke mindestens drei Monate in den lehmverputzten Räumen eines großen alten Fachwerkgebäudes hängt, spüren wir das angenehme Klima. »Früher war das hier der Kornspeicher«, erklärt Henke und knipst hinter uns das Licht aus, bevor wir wieder auf den Hof hinaus treten.
UNSER TIPP
Die Wurstspezialitäten kann man direkt im hauseigenen Online-Shop ordern.
Ungewöhnlich ist das schon, denn eigentlich ist Henke Drucker. »Aus politischen Gründen« ist er zu diesem Beruf gekommen. In seinen Westberliner Studentenjahren begann er, verbotene Schriften zu vervielfältigen — die 68er. Später gründete er zwei Druckereien, die erste in Köln, die zweite in Berlin. Nach der Wende wurde das Leben auf dem Land interessant, er kam zur Ökodomäne Hohenwalde, wo Freunde einen Hof biologisch bewirtschafteten. Das ehemalige Rittergut Temmen war nur einen Steinwurf entfernt und als es zum Verkauf stand, kam Henke dem Investor zuvor, der einen Golfplatz daraus machen wollte.
UNSER TIPP
Im Gutshaus kann man in 5 urig-gemütlichen Zimmern übernachten. Im Sommer finden außerdem viele Events auf dem Gutsgelände statt wie z. B. das 7-Seen-Fest und die Uckermärkische Musikwoche.
»
Ich wusste ja, wie sie schmecken muss, die Wurst, die ich machen wollte.
«
»Mir war es wichtig, die Landwirtschaft zu erhalten«, sagt er und schlendert mit uns über den weitläufigen Hof zurück zum Haupthaus. Mit dem von ihm initiierten Bio-Bodenfonds Schorfheide engagiert sich Rolf Henke auch dafür, dass neben Gut Temmen auch andere Betriebe in der Umgebung langfristig ökologisch wirtschaften können.
Frau Henke bittet uns herein und führt uns in den Hofladen, der mit allerlei Köstlichkeiten aufwartet. »Eigentlich sind wir selbst unsere besten Kunden«, schüttelt die schlanke Frau lachend den Kopf. Verschiedene Teile vom Rind lagern im Froster, mehrere Sorten Wurst liegen in der Theke. Aber der Hofladen ist nicht der Hauptverkaufsort, mit diesen Produkten werden vor allem Berliner Biomärkte und Spitzengastronomie beliefert.
Knackig kalt ist die Luft am nächsten Morgen, der Frost lässt die Bäume glitzern. Wir laufen eine Runde um den Klaren See und lernen dabei auch die Temmener Kühe kennen, die hinter dem Hof die Sonne genießen. Auf Empfehlung der Henkes setzen wir unseren Weg Richtung Ringenwalde entlang des Großen Krinertsees fort. Ein Stück geht es am südlichen Seeufer entlang, vorbei an den Anbauflächen der Wildsamen-Insel. Hier züchtet Uta Kietsch Saatgut von Wildblumen, Kräutern und Gemüse.
WILDSAMENINSEL
Uta Kietsch
www.wildsamen-insel.de
Über Felder erreichen wir nach kurzer Zeit Hohenwalde. Ein wirklich unscheinbares kleines Dorf, in das sich dennoch ab und an Journalisten verirren: Angela Merkel residiert hier in ihrem Wochenendhäuschen. Eine Weile lang schauen wir uns um, inspizieren Gärten und versuchen durch Gardinen zu spähen. Erfolglos, es ist keine Menschenseele da, nirgends. Die Kanzlerin wird uns wohl nicht zum Tee empfangen. Macht nichts, denn wir freuen uns jetzt schon auf unsere Einkehr in Ringenwalde. Eine imposante alte Lindenallee führt uns in den Wald. Nach etwa einer Stunde Gehzeit und dem Passieren einer weiteren Lindenallee erreichen wir den Landgasthof zum Grünen Baum. Mitten im Ortskern betreibt Familie Räthel dieses gemütlich eingerichtete Restaurant mit bodenständiger Küche, die sich aus regionalen Zutaten bedient. So kommt etwa die köstliche Martinsgans direkt von der Weide im Nachbarort. Unmittelbar vor der Tür fährt später auch der Bus, der uns wieder zum Bahnhof Joachimsthal bringt.
LANDGASTHOF ZUM GRÜNEN BAUM
Dorfstraße 57
17268 Temmen-Ringenwalde
www.landgasthofzumgruenenbaum.de
Dies ist eine unserer zahlreichen Reisen vor die Haustür. Unter diesem Motto sind wir dem Aufruf von 1thingtodo gefolgt und teilen unseren Bericht auch auf ihrer Seite.
»Zu Fuß kann man besser schauen.«
— Paul Klee